Software, Urteile, Rückrufe: zwischen Werkstatt und Gericht sitzt du am Steuer – und fragst dich, wie lange noch sicher fahren kannst.
Ein neues Urteil stellt die Nachbesserungen vieler Diesel infrage. Die Debatte um Abgasreinigung bekommt damit eine brisante Wendung – mit Folgen für Millionen Fahrer und ihre Alltagsmobilität.
Was das urteil aus schleswig wirklich bedeutet
Das Oberverwaltungsgericht Schleswig bewertet das sogenannte Thermofenster als rechtswidrig. Diese Software drosselt die Abgasreinigung bei kühleren Temperaturen. Damit verstoßen betroffene Fahrzeuge gegen Umweltrecht. Der Europäische Gerichtshof hat den Vorrang des Umweltschutzes 2022 bekräftigt.
Die Updates, die das Kraftfahrt-Bundesamt zuvor freigegeben hatte, geraten damit unter Druck. Hersteller verweisen auf Motorschutz und Sicherheit. Die Richter gewichten den Gesundheitsschutz höher. Das Verfahren ist nicht rechtskräftig. Dennoch handelt es sich um einen Musterfall mit Signalwirkung.
Thermofenster rechtswidrig: Das Gericht stärkt den Gesundheitsschutz – und stellt Millionen Diesel erneut auf den Prüfstand.
Die Deutsche Umwelthilfe fordert Nachrüstungen oder Stilllegungen. Realistisch ist eine Hardware-Nachrüstung bei vielen Modellen schwer umsetzbar. Wo sie technisch möglich ist, drohen zusätzliche Kosten, höherer Verbrauch und verschleißträchtigere Systeme.
Wer betroffen ist
Normen und baujahre
Als besonders exponiert gelten Diesel mit der Norm Euro 5 sowie Euro 6a bis 6c. Diese Fahrzeuge sind häufig mit Thermofenstern oder ähnlichen Strategien für die Abgasreinigung ausgerüstet. Betroffen sein können Modelle zahlreicher Marken wie VW, Audi, Skoda, BMW, Mercedes, Opel, Fiat, Renault, Toyota, Volvo und weitere.
Spezialisierte Kanzleien sprechen von bis zu 10 Millionen potenziell betroffenen Fahrzeugen. In Deutschland könnten rund 8 Millionen Halter mit Einschränkungen rechnen, sollte die Linie der Gerichte Bestand haben.
- Euro 5: hoher Prüfbedarf, oft Erstzulassung etwa 2009–2015
- Euro 6a–6c: erhöhter Prüfbedarf, Erstzulassung grob 2014–2018
- Euro 6d/6d-temp: aktuell weniger im Fokus, abhängig vom Einzelfall
Euro 5 oder Euro 6 a–c im Fahrzeugschein? Dann gehörst du wahrscheinlich zur Risikogruppe.
So prüfst du deinen fahrzeugschein
- Schaue in der Zulassungsbescheinigung Teil I das Feld V.9 an: Dort steht die Emissionsklasse.
- Notiere Erstzulassung und Motorcode. Werkstatt- oder Herstellerportale können Auskunft zum Softwarestand geben.
- Prüfe Post und E-Mail regelmäßig: Offizielle Rückrufe oder Anordnungen kommen meist per Schreiben.
Was jetzt auf dich zukommt
Sofortige Fahrverbote stehen nicht an. Das Urteil ist anfechtbar. Dennoch wächst der Druck auf das Kraftfahrt-Bundesamt und die Hersteller, tragfähige Lösungen zu liefern. Städte und Gemeinden verfolgen Grenzwerte und Luftreinhaltepläne weiterhin streng.
Deine optionen
- Informiert bleiben: Prüfe die Emissionsnorm, halte Fahrzeugpapiere und Werkstattnachweise bereit.
- Auf Rückrufe reagieren: Termine wahrnehmen, Dokumentation sichern, Protokolle aufbewahren.
- Rechtliche Beratung holen: Klärung, ob Rückabwicklung, Minderung oder Schadensersatz im Raum steht.
- Verkaufsstrategie abwägen: Regionale Nachfrage, mögliche Wertverluste und Exportoptionen prüfen.
- Nachrüstung prüfen: Nur bei klarer Wirksamkeit, Garantiefragen und Folgekosten vorab klären.
| Euro-stufe | Risiko stilllegung | Nachrüstung realistisch | Einfluss auf verbrauch | Technische folge-Risiken |
|---|---|---|---|---|
| Euro 5 | erhöht | selten | tendenziell höher | mehr verschleiß möglich |
| Euro 6a–6c | erhöht | einzelfallabhängig | tendenziell höher | einzelfallabhängig |
| Euro 6d/6d-temp | geringer | nicht vorgesehen | unverändert | unverändert |
Warum das thermofenster problematisch ist
Die Abgasreinigung moderner Diesel basiert auf sensibler Steuerung von Abgastemperatur, AdBlue-Dosierung und Abgasrückführung. Das Thermofenster reduziert diese Eingriffe bei Kälte. In mitteleuropäischen Wintern sind diese Temperaturen häufig. Dadurch steigen im Alltagsbetrieb Stickoxide, obwohl Prüfstandswerte eingehalten werden.
Umweltrecht erlaubt Abschalteinrichtungen nur, wenn sie zum unmittelbaren Schutz vor plötzlichen Gefahren zwingend nötig sind.
Die Gerichte sehen pauschale, temperaturbasierte Abschaltungen kritisch. Hersteller argumentieren mit Haltbarkeit und Fahrsicherheit. Entscheidend wird, ob eine konkrete Gefahr belegt werden kann – nicht nur allgemeine Verschleißszenarien.
Folgen für preise, städte und politik
Der Gebrauchtwagenmarkt reagiert sensibel auf Rechtsrisiken. Diesel mit unklarer Softwarelage stoßen auf Zurückhaltung. Händler kalkulieren Risiken ein. Regionale Fahrverbote würden die Nachfrage zusätzlich verschieben. Ballungsräume mit engeren Grenzwerten stünden unter besonderer Beobachtung.
Politisch wächst der Druck auf das Kraftfahrt-Bundesamt. Es muss künftige Maßnahmen gerichtsfest begründen. Bund und Länder werden zwischen Luftreinhaltung, Verbraucherinteressen und Industriepolitik vermitteln müssen. Ein verlässlicher Pfad für Bestandsfahrzeuge ist überfällig.
Beispielrechnung für eine rückgabe
Wer eine Rückabwicklung prüft, stößt auf den sogenannten Nutzungsersatz. Er mindert die Erstattung um die bereits gefahrenen Kilometer. Ein häufig genutzter Ansatz lautet: Kaufpreis × (gefahrene Kilometer ÷ erwartbare Gesamtlaufleistung).
Beispiel, unverbindlich: Kaufpreis 25.000 Euro, 80.000 Kilometer gefahren, Gesamtlaufleistung 250.000 Kilometer. Nutzungsersatz = 25.000 × (80.000 ÷ 250.000) = 8.000 Euro. Mögliche Erstattung läge dann bei rund 17.000 Euro. Maßgeblich ist der Einzelfall und die angesetzte Restlaufleistung.
Checkliste für die nächsten 30 tage
- Fahrzeugschein prüfen (V.9) und Emissionsnorm notieren.
- Hersteller- oder KBA-Schreiben sammeln, Softwarestände dokumentieren.
- Werkstattprotokolle und Rechnungen ordnen, besonders zu Updates.
- Rechtsberatung anfragen, Verjährungsfristen klären, Unterlagen digitalisieren.
- Versicherung informieren, falls Nutzungsbeschränkungen absehbar sind.
- Nutzung planen: Ausweichrouten, ÖPNV-Alternativen oder Carsharing prüfen.
Was fahrer jetzt konkret gewinnen oder verlieren können
Wer wartet, behält Nutzung und Flexibilität, lebt aber mit Rechtsunsicherheit und möglichem Wertverlust. Wer klagt, schafft Klarheit und kann Ansprüche sichern, riskiert aber Zeit- und Prozesskosten. Wer verkauft, vermeidet späte Überraschungen, akzeptiert jedoch Abschläge. Wer auf Nachrüstung setzt, braucht verlässliche Zusagen zu Wirkung, Garantie und Betriebskosten.
Praktischer Tipp: Führe ein Fahrten- und Kostenjournal. So lassen sich Verbrauch, AdBlue-Bedarf, Werkstattaufenthalte und mögliche Nachteile belegen. Bei rechtlichen Schritten schafft das belastbare Grundlagen. Bei einem Fahrzeugwechsel liefert es Vergleichswerte für Reichweite, Betriebskosten und Nutzungsprofil.



Heißt das, dass mein euro 6b in München bald nicht mehr rein darf? Wie prüfe ich, ob das KBA‑Update reicht oder ich nachrüsten muss?
Jahrelang hieß es „alles konform“, jetzt plötzlich rechtswidriges Thermofenster. Wer ersetzt mir den Wertverlust? Ich hab keine lust, schon wieder der Dumme zu sein.