Viola Davis bereut „The Help“: hast du 2011 mitgefiebert, obwohl 4 Oscarnominierungen nicht reichen?

Viola Davis bereut „The Help“: hast du 2011 mitgefiebert, obwohl 4 Oscarnominierungen nicht reichen?

Ein gefeierter Film, vier Nominierungen und große Namen – doch eine der zentralen Stimmen blickt mit Schmerz zurück.

Der Erfolg steht außer Frage, die Erinnerung bleibt ambivalent. Ein Star sieht ihren Durchbruch und erkennt später einen blinden Fleck.

Warum der erfolg zweifel hinterließ

„The Help“ spielt 1963 in Jackson, Mississippi. Die Geschichte folgt einer jungen weißen Journalistin, die die Erfahrungen schwarzer Hausangestellter in einem Buch sammeln will. Das Drama traf einen Nerv, lief weltweit stark und sammelte 2012 vier Oscar-Nominierungen, darunter Bester Film und Beste Hauptdarstellerin für Viola Davis. Die Anerkennung war riesig, die Debatte folgte erst Jahre später.

Viola Davis, die Aibileen Clark verkörperte, hat ihre Mitwirkung inzwischen mehrfach bereut. Nicht wegen der Kolleginnen und Kollegen am Set. Sondern wegen der Perspektive, aus der erzählt wird. Aus ihrer Sicht rückt der Film das Publikum dorthin, wo es sich am bequemsten fühlt: an die Seite einer weißen Identifikationsfigur. Das verschiebt den Fokus weg von den Frauen, deren Leben die Geschichte eigentlich trägt.

Vier Nominierungen, 2 Stunden 26 Minuten Laufzeit, Millionenpublikum – und dennoch bleibt die zentrale Perspektive unterbelichtet.

Was die schauspielerin wirklich meinte

Davis’ Kritik ist präzise: Die Stimmen der schwarzen Hausangestellten kommen nicht mit der Wucht, der Autonomie und der Komplexität zu Wort, die ihnen zustehen. Sie sprach von einem Gefühl des Verrats – an sich selbst und an den Menschen, deren Wirklichkeit sie kennt. Das hat auch mit Branchenlogiken zu tun. Rollen wie diese eröffnen Chancen, bringen Sichtbarkeit, verbessern Karriereaussichten. Gleichzeitig bestätigen sie oft Erzählmuster, die strukturelle Ungleichheiten weichzeichnen.

2017 gewann Davis den Oscar als Beste Nebendarstellerin für „Fences“. Der Erfolg markierte keinen Schlussstrich, sondern schärfte ihren Blick für Stoffe, die von Beginn an konsequent aus der Perspektive Schwarzer Figuren gedacht sind.

Das white-savior-narrativ im fokus

„The Help“ wurde schon beim Start mit dem Vorwurf konfrontiert, einem „White Savior“-Muster zu folgen. Gemeint ist eine Erzählform, in der weiße Figuren zu Retterinnen und Rettern stilisiert werden, während die eigentlichen Betroffenen vor allem als Auslöser für deren Läuterung fungieren. Solche Geschichten sind nicht zwangsläufig böswillig, aber sie reproduzieren häufig Hierarchien. Sie lenken Empathie in bekannte Bahnen und halten das Publikum an der Hand.

Die Debatte ist größer als ein einzelner Film. Sie berührt Fragen, wer erzählt, für wen erzählt wird und wessen Erfahrungen den emotionalen Takt vorgeben. Gerade Werke, die historische Ungerechtigkeit adressieren, stehen hier unter besonderer Beobachtung.

Wer erzählt, setzt die Prioritäten. Perspektive ist keine Kür, sie bestimmt, was sicht- und fühlbar wird.

reaktionen aus dem team

Auch Beteiligte reflektierten später kritisch. Bryce Dallas Howard, die eine wohlhabende weiße Frau spielt, bezeichnete die Geschichte als Fiktion aus weißer Perspektive, getragen von überwiegend weißen Erzählerstimmen. Solche Einordnungen zeigen, wie sehr der Diskurs in Hollywood angekommen ist. Selbst erfolgreiche Produktionen werden heute anders gelesen als vor zehn Jahren.

Fakten zum film

  • Erscheinungsjahr: 2011 (Deutschlandstart zu Jahresbeginn)
  • Handlung: Jackson, Mississippi, 1963, zur Zeit der Bürgerrechtsbewegung
  • Regie: Tate Taylor, nach dem Roman von Kathryn Stockett
  • Hauptrollen: Emma Stone, Viola Davis, Jessica Chastain, Bryce Dallas Howard
  • Laufzeit: etwa 2 Stunden und 26 Minuten
  • Oscars 2012: 4 Nominierungen, Auszeichnung für Octavia Spencer als Beste Nebendarstellerin
  • Ausrichtung: ein Mainstream-Drama, das sich klar an ein breites, vor allem weißes Publikum richtet

Vorlage, klage und offene fragen

Die Romanvorlage lieferte die Blaupause für den Film. Parallel dazu entzündeten sich reale Konflikte. Ablene Cooper, eine Haushaltshilfe, die als Inspiration für eine Figur diente, klagte auf 75.000 US‑Dollar. Sie sah ihr Aussehen und Elemente ihrer Biografie unzulässig verwendet und empfand die Darstellung als entwürdigend. Ein Gericht wies die Klage ab. Der Streit machte deutlich, wie sensibel die Schnittstelle von Fiktion, Urheberrecht und gelebter Erfahrung ist.

Solche Fälle berühren zwei Ebenen. Erstens: juristische Fragen, etwa Persönlichkeitsrechte und Einwilligung. Zweitens: die ethische Dimension, also die Verantwortung, wenn reale Lebensrealitäten literarisch und filmisch verarbeitet werden. Beides lässt sich nicht per Checkliste klären. Es benötigt Prozesse, an denen Betroffene beteiligt sind, nicht nur beratend, sondern mit Entscheidungsmacht.

Davis’ Selbstkritik richtet sich nicht gegen Kolleginnen und Kollegen, sondern gegen Strukturen, die Perspektiven filtern.

Wie man den film heute schauen kann

„The Help“ ist weiterhin leicht zugänglich und wird häufig im Kontext historischer Dramen programmiert. Wer den Film heute sieht, kann zwei Ebenen parallel halten: die starke schauspielerische Arbeit und das erzählerische Raster. Beides steht nebeneinander. Beides prägt die Wirkung.

Nützlich ist eine aktive Rezeptionshaltung. Achte darauf, wer Entscheidungen trifft, wessen Innenleben komplex gezeichnet wird und wer vor allem als Katalysator dient. Frage dich, an welchem Punkt die Kamera verweilt und wessen Schmerz als Motor der Handlung funktioniert.

konkrete anhaltspunkte für eine kritische sicht

  • Perspektive: Aus wessen Sicht werden Wendepunkte erzählt?
  • Agency: Wer handelt eigenständig, wer reagiert vor allem auf andere?
  • Konsequenzen: Welche Figuren tragen die Folgen zentraler Konflikte?
  • Kontext: Werden Machtstrukturen erklärt oder personalisiert?
  • Adressat: An wen wendet sich der emotionale Appell erkennbar?

Warum diese debatte so hartnäckig bleibt

Historische Ungleichheit wirkt in Produktionsketten, Finanzierung und Stoffentwicklung fort. Projekte entstehen dort, wo Geld, Vertrauen und Netzwerke vorhanden sind. Das begünstigt bekannte Perspektiven. Umso stärker fällt es ins Gewicht, wenn prominente Schauspielerinnen wie Viola Davis öffentlich über Kompromisse sprechen. Das schafft Raum für andere Entscheidungen – in Casting, Drehbuchentwicklung und Vermarktung.

Für Zuschauerinnen und Zuschauer bringt das einen praktischen Vorteil: Mehr Angebote, die konsequent aus der Erfahrung Schwarzer Figuren heraus erzählen, erweitern die Auswahl. Wer vergleichen will, kann neben großen Studio-Projekten auch Produktionen von Schwarzem Kreativpersonal ansehen. Das schärft den Blick, reduziert Stereotype im Medienkonsum und macht Unterschiede in Ton, Schwerpunkt und Figurenzeichnung sichtbar.

Worauf branche und publikum jetzt achten können

Förderinstitutionen und Studios können Transparenz herstellen: Wer ist im Writers’ Room? Welche Expertisen sind beteiligt? Welche Community-Partnerschaften sind eingeplant? Solche Fragen lassen sich in Ausschreibungen, Budgetkalkulationen und Marketingstrategien verankern. Für das Publikum lohnt es sich, bei Preisverleihungen und Rankings genau hinzusehen, welche Perspektiven gewürdigt werden und welche regelmäßig durchrutschen.

Gleichzeitig bleibt der künstlerische Wert einzelner Leistungen unangetastet. Davis’ Darstellung in „The Help“ hat zu Recht beeindruckt. Ihre spätere Kritik verleiht diesem Eindruck eine produktive Reibung. Sie macht sichtbar, wie stark Wirkung und Verantwortung zusammenhängen – und wie viel auf dem Spiel steht, wenn große Geschichten über historische Ungerechtigkeit erzählt werden.

1 thought on “Viola Davis bereut „The Help“: hast du 2011 mitgefiebert, obwohl 4 Oscarnominierungen nicht reichen?”

  1. Damals fand ich The Help bewegend, heute sehe ich die blinden Flecken klarer. Davis’ Reue wirkt nachvollziehbar: Die Perspktive bleibt oft bei Skeeter, während Aibileen und Minny zu Katalysatoren schrumpfen. Vier Oscarnominierugen bedeuten nicht, dass ein Film strukturell sauber erzählt. Trotzdem: starke Performances, schwaches Raster. Ich wünschte, 2011 hätte ich schon kritischer hingeschaut.

Leave a Comment

Votre adresse e-mail ne sera pas publiée. Les champs obligatoires sont indiqués avec *