Die späten Stunden am Wochenende bringen selten Überraschungen, doch diesmal erwartet Zuschauerinnen und Zuschauer eine besondere Programmidee.
Ein ARD-Regionalprogramm räumt den Samstagabend um und widmet die Nacht einer Ikone des ostdeutschen Films. Anlass ist ein rundes Datum, das die Geschichte des Landes und des Kinos berührt.
Warum der rbb das Programm umstellt
Der ARD-Sender rbb würdigt den Regisseur Konrad Wolf anlässlich seines 100. Geburtstags. Wolf prägte über Jahrzehnte das Filmschaffen der DDR, leitete zwischen 1965 und 1982 die Akademie der Künste und verband künstlerische Handschrift mit politischem Bewusstsein. Er floh als Kind vor den Nationalsozialisten nach Moskau, trat der Roten Armee bei und erlebte das Kriegsende in Berlin. Diese Biografie floss in sein Werk – und erklärt, warum der Sender ihm jetzt eine nächtliche Sonderschiene widmet.
Samstag, 18. Oktober 2025, 23:30 Uhr: Der rbb startet eine dreiteilige Hommage für Konrad Wolf – Film, Gespräch, Dokumentation.
Der Auftakt: „Ich war neunzehn“ um 23:30 Uhr
Den Beginn macht „Ich war neunzehn“, Wolfs Antikriegsfilm von 1967. Im Zentrum steht Gregor Hecker, ein in der Sowjetunion aufgewachsener Deutscher, der als Soldat der Roten Armee nach Brandenburg und Berlin vorrückt. Die Geschichte arbeitet mit Tagebuchnähe, beobachtet Begegnungen, Zweifel und Schuldfragen in den letzten Kriegswochen. Das Drehbuch schrieb Wolfgang Kohlhaase, dessen präzise Dialoge den Ton setzen. Der Film gilt als Schlüsselwerk, weil er moralische Dilemmata nicht glättet, sondern sie ruhig und hartnäckig ausleuchtet.
Jaecki Schwarz erhält mit der Rolle des Gregor Hecker seinen Durchbruch – ausgewählt aus rund 80 Bewerbern.
Wolfs Blick bleibt dabei nicht museal. Er stellt Fragen nach Verantwortung, Zugehörigkeit und Sprache. Wie verhandelt ein Rückkehrer, der in zwei Welten zu Hause ist, das Ende eines Krieges? Die Erzählweise interessiert sich für Zwischentöne, für zufällige Begegnungen an Straßensperren, für zähe Gespräche in Amtsstuben – ein Gegenentwurf zum heroischen Kriegsbild.
Im Anschluss: Gespräch mit Knut Elstermann und Gästen
Unmittelbar nach dem Film führt Moderator Knut Elstermann durch eine aktuelle Retrospektive. Mit dabei: Schauspieler Jaecki Schwarz, Regisseur Matti Geschonneck und Kameramann Eberhard Geick. Das Panel ordnet das Werk ein, erinnert an Dreharbeiten und verknüpft Wolfs Haltung mit heutigen Fragen an Kino und Gesellschaft. Dabei wird spürbar, wie präzise Wolf seine Stoffe wählte und welche Arbeitskultur er auf den Sets prägte.
Erinnerungen aus erster Hand: Filmgespräch mit Schwarz, Geschonneck und Geick direkt nach dem Spielfilm im rbb.
Zum Abschluss: Dokumentation von 1977
Den Schlusspunkt setzt eine Dokumentation aus dem Jahr 1977. Sie eröffnet Archivzugänge und zeigt Wolf im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen. Die Doku rahmt den Abend historisch und macht deutlich, wie sich die künstlerische Debatte in der DDR formte – zwischen Anspruch, Zensurerfahrung und künstlerischer Beharrlichkeit.
Das ändert sich für dich am Samstagabend
- Startzeit: 23:30 Uhr, danach Talk und Dokumentation ohne lange Pausen.
- Umfang: Drei Sendungen am Stück – ideal für einen späten Filmabend.
- Fokus: Biografie, Werk und Wirkung von Konrad Wolf kompakt an einem Abend.
- Zielgruppe: Filmfans, Zeitzeuginnen, Geschichtsinteressierte, Schul- und Studierendenprojekte.
| Anlass | 100. Geburtstag von Konrad Wolf (20.10.2025) |
| Sender | rbb (ARD) |
| Datum | Samstag, 18.10.2025 |
| Start | 23:30 Uhr |
| Programmpunkte | „Ich war neunzehn“ • Retrospektive • Dokumentation (1977) |
| Drehbuch „Ich war neunzehn“ | Wolfgang Kohlhaase |
| Gäste im Gespräch | Jaecki Schwarz, Matti Geschonneck, Eberhard Geick |
| Leitung Gespräch | Knut Elstermann |
Warum Konrad Wolf heute noch trifft
Wolfs Filme zeigen keine glatten Helden, sondern Menschen im Übergang. Seine Figuren verhandeln Loyalität, Heimat und Schuld – Themen, die auch 2025 wirken. Er arbeitete mit präzisem Realismus, der nicht zynisch ist, sondern neugierig und offen. Deshalb reift sein Werk mit der Zeit. „Ich war neunzehn“ macht erlebbar, wie Sprache und Identität aufeinanderprallen, wenn Fronten in sich zusammenfallen.
Sein Spätwerk „Solo Sunny“ – mit Renate Krößner – rückte eine selbstbestimmte Künstlerin in den Mittelpunkt, lange bevor Diversitätsdebatten fester Bestandteil des Branchenalltags wurden. Wolf verstarb 1982 mit 56 Jahren. Dass der rbb sein Programm verschiebt, ist ein Signal: Filmgeschichte gehört in die Primetime-Nähe, nicht ins Archiv.
Filmgeschichte im öffentlich-rechtlichen Schaufenster: Der rbb holt ein Schlüsselwerk und seine Kontexte in die Samstagnacht.
So holst du dir das meiste aus dem Abend
Kurzer Leitfaden für deinen Filmcheck
- Achte auf Sprache: Wie spricht Gregor Hecker mit Deutschen und Sowjets, wann wechselt er den Ton?
- Beobachte Räume: Amtszimmer, Brücken, Dörfer – Übergänge sind Handlungsorte, nicht nur Kulisse.
- Notiere Fragen: Welche Verantwortung trägt ein Rückkehrer, der nicht auf Rache aus ist?
Kontext, der das Sehen schärft
Wolfs künstlerisches Umfeld umfasste Autorinnen und Autoren, die Alltagsnähe suchten. Kohlhaases Szenen hängen nie am großen Pathos, sie arbeiten mit Blicken, Pausen, Nebensätzen. Kameraleute wie Eberhard Geick standen für eine Handschrift, die Nähe zulässt, ohne zu verklären. Genau diese Haltung macht die Filme anschlussfähig für den Diskurs über Erinnerungskultur in Berlin und im Osten Deutschlands.
Was „Programmänderung“ beim ARD-Sender bedeutet
Öffentlich-rechtliche Sender passen ihre Schienen, gerade am Wochenende, relativ kurzfristig an. Gründe sind Jahrestage, gesellschaftliche Ereignisse oder regionale Relevanz. Die Umsortierung schafft Platz für Schwerpunktabende und verknüpft Inhalte dramaturgisch: ein Werk, eine Einordnung, eine historische Vertiefung. Für dich heißt das: ein klarer Einstieg, ein Gespräch zur Orientierung, dann Quellenmaterial. So wächst aus Einzelbausteinen ein Filmabend mit rotem Faden.
Mehrwert für Schulen, Vereine und Kinos
Wer den Abend didaktisch nutzt, kann aus den drei Bausteinen eine Mini-Werkschau machen. Der Spielfilm liefert den Stoff, das Gespräch setzt Markierungen, die Doku liefert zusätzliche Kontexte. Mit wenig Aufwand entsteht daraus eine kleine Unterrichtseinheit oder ein Vereinsabend zur Filmgeschichte. Ergänzend lohnt sich ein Blick auf Wolfs Arbeit an der Akademie der Künste: Von 1965 bis 1982 gestaltete er Kulturpolitik und Nachwuchsförderung. Diese Doppelrolle – Künstler und Institutionenleiter – erklärt, warum sein Einfluss bis heute spürbar bleibt.
Drei Bausteine, ein Thema: Stoff, Einordnung, Archiv – kompakt in einer Nacht und ohne Zappen quer durchs Programm.
Wer später einschaltet, kann den Filmabend auch segmentieren: zuerst der Spielfilm als Kern, danach das Gespräch für Perspektivwechsel, zum Schluss die Doku als Langzeitfenster. So entsteht ein flexibles Seherlebnis, das sich an dein Tempo anpasst. Für Filmfans ergibt sich außerdem eine Gelegenheit, Wolfgang Kohlhaases Handschrift mit der Bildarbeit seiner Weggefährten zu verbinden. Und wer Jaecki Schwarz vor allem aus Krimiformaten kennt, bekommt hier seinen künstlerischen Startpunkt im großen Kontext.



Super idéee du rbb: trois sendungen d’affilée pour Konrad Wolf à 23h30, j’adore. Enfin un fil rouge au lieu de zapper.