Ein Beschluss aus Berlin sorgt für Unruhe in Jobcentern und Wohnzimmern. Viele stellen sich auf harte Monate ein, mit Folgen.
Die Regierung stellt die Weichen neu: Das Bürgergeld verschwindet, die Grundsicherung für Arbeitssuchende rückt nach. Für 5,5 Millionen Leistungsbeziehende bedeutet das strengere Regeln, schnellere Sanktionen und weniger Schonräume.
Was jetzt gilt
Neuer Name, altes Prinzip
Die Leistung heißt künftig Grundsicherung für Arbeitssuchende. Der Staat will Hilfen sichern, gleichzeitig Mitwirkung schärfer einfordern. Der Begriff soll Vertrauen zurückgewinnen und Missbrauch eindämmen.
Das Bürgergeld wird abgeschafft. Künftig heißt die Leistung grundsicherung für arbeitssuchende – mit strengeren Pflichten.
Die zentralen Änderungen im Überblick
- Name: Bürgergeld endet, Grundsicherung für Arbeitssuchende beginnt.
- Sanktionen: Verstoßen Sie gegen Pflichten, greift schneller eine Kürzung um 30 Prozent – bis zur vollständigen Streichung.
- Vermögen: Die einjährige Schonfrist für Vermögen bis 40.000 Euro entfällt.
- Wohnen: Die Prüfung der Angemessenheit startet sofort. Zu teure Wohnungen müssen verlassen werden.
- Betrug: Gegen bandenmäßige Sozialleistungs-Masche plant die Regierung schärfere Ermittlungen.
Sanktionen im Detail
Termine, Maßnahmen, Bewerbungen
Wer einen Termin im Jobcenter versäumt, riskiert sofort 30 Prozent weniger Geld. Fehlt der zweite Termin erneut, steigt die Kürzung um weitere 30 Prozent. Bleibt auch der dritte Termin ungenutzt, stellt das Amt die Leistungen vollständig ein. Dazu zählen dann Regelsatz und ergänzende Leistungen. Wer im Folgemonat weiter nicht mitwirkt, verliert zusätzlich die Unterstützung für Unterkunft und Heizung.
| Verstoß | Mögliche Kürzung |
|---|---|
| Erster verpasster Termin/Mitwirkung | 30 Prozent weniger Leistung |
| Zweiter Verstoß | insgesamt 60 Prozent weniger |
| Dritter Verstoß | 100 Prozent Stopp der Geldleistungen |
Härtefälle bleiben vorgesehen, etwa bei gesundheitlichen oder psychischen Beeinträchtigungen. Sie müssen Gründe belegen. Legen Sie Atteste oder Bescheinigungen früh vor, damit die Sachbearbeitung diese berücksichtigt.
Die Koalition kündigt Kürzungen “bis an die verfassungsrechtliche Grenze” an. Betroffene sollten Bescheide prüfen und fristgerecht Widerspruch einlegen.
Was als Pflichtverletzung zählt
- Unentschuldigtes Fernbleiben von Terminen im Jobcenter
- Nichtteilnahme an zugewiesenen Maßnahmen
- Fehlende oder verspätete Bewerbungsaktivitäten
- Verweigerung zumutbarer Arbeit oder Qualifizierung
Dokumentieren Sie jede Bewerbung, jede Rückmeldung und jeden Anruf. Halten Sie E-Mails, Briefe und Fristen fest. So senken Sie das Risiko von Fehlentscheidungen.
Vermögen und Wohnen
Schonvermögen neu berechnet
Die einjährige Karenzzeit für erhebliche Vermögen bis 40.000 Euro entfällt. Bevor die neue Grundsicherung greift, müssen Antragstellende ihr Vermögen weitgehend einsetzen. Ein Schonvermögen bleibt, es wird aber individuell berechnet. Als Orientierung galt bislang nach dem ersten Jahr ein Freibetrag von 15.000 Euro pro Person. Künftig entscheidet der Einzelfall schneller und strenger.
Wer Rücklagen besitzt, sollte Kontoauszüge, Sparverträge und Depots aufbereiten. Prüfen Sie, welche Beträge als Altersvorsorge geschützt sind und welche nicht. Rechnen Sie mit Nachfragen zu Verfügbarkeit und Verwertbarkeit – insbesondere bei Lebensversicherungen oder Bausparguthaben.
Wohnkosten und Umzug
Die Angemessenheit der Unterkunft wird direkt zu Beginn geprüft. Liegen Miete und Heizkosten über den kommunalen Grenzwerten, fordert das Amt zeitnah zum Kostensenken auf. Das kann eine Untervermietung, ein Umzug oder eine Verhandlung mit der Vermietung sein. Wer nicht reagiert, riskiert eine Kürzung der Wohnkostenübernahme.
- Angemessenheitsgrenzen unterscheiden sich je nach Stadt und Landkreis.
- Größe, Baujahr, Nebenkosten und Heizart spielen eine Rolle.
- Fristen zur Kostensenkung fallen kürzer aus als bisher.
Holen Sie frühzeitig Vergleichsangebote ein, dokumentieren Sie Wohnungsbewerbungen und sprechen Sie mit dem Jobcenter über Übergangslösungen. Bei Alleinerziehenden, Menschen mit Behinderung und Familien mit Schulkindern gelten häufig besondere Regelungen. Fragen Sie nach Ermessensspielräumen, etwa für Umzugsfristen.
Missbrauchsbekämpfung und Strafverfolgung
Die Regierung will bandenmäßigen Sozialleistungsbetrug konsequenter verfolgen. Das umfasst intensivere Datenabgleiche, spezialisierte Ermittlungsgruppen und schärfere Strafen für organisierte Strukturen. Für ehrliche Antragstellende bringt das mehr Sicherheit, zugleich mehr Kontrollen. Rechnen Sie mit zusätzlichen Nachweisen und Abgleichen mit Melde- und Steuerdaten.
Zeitplan, Verfahren, Rechte
Die Spitzen von Union und SPD haben den Kurs festgelegt. Jetzt folgen Gesetzesentwürfe, Beratungen im Bundestag und Entscheidungen im Bundesrat. Der Starttermin hängt vom parlamentarischen Verfahren ab. Jobcenter bereiten sich parallel auf die Umstellung vor. Bestehende Bescheide laufen bis zu ihrem Ende, anschließend greifen neue Regeln.
Wer einen Bescheid erhält, sollte ihn prüfen. Bei Unklarheiten hilft der Blick in die Begründung, die Rechtsfolgenbelehrung und die Fristen. Widerspruch ist in der Regel innerhalb eines Monats möglich. Bitten Sie bei Eilbedarfen um vorläufige Leistungen. Holen Sie Beratung bei Sozialdiensten, Beratungsstellen oder Rechtsbeistand.
So bereiten Sie sich vor
- Unterlagen ordnen: Mietvertrag, Betriebskosten, Kontoauszüge, Nachweise zu Vermögen und Versicherungen.
- Mitwirkung dokumentieren: Bewerbungslisten, Teilnahme an Maßnahmen, Krankmeldungen, Atteste.
- Kostensenkung prüfen: Warmmiete mit lokalen Grenzwerten vergleichen, Optionen zur Reduzierung abwägen.
- Vermögen klären: Welche Beträge sind geschützt, was lässt sich kurzfristig verwerten.
- Terminmanagement: Fristen im Kalender markieren, digitale Erinnerung nutzen, Begleitperson mitnehmen.
Rechenbeispiele für Kürzungen
Die Kürzung bemisst sich prozentual am Regelbedarf. So rechnen Sie selbst:
- Beispiel 1: Regelbedarf 600 Euro. Erste Sanktion 30 Prozent = 180 Euro weniger.
- Beispiel 2: Zweiter Verstoß. Insgesamt 60 Prozent = 360 Euro weniger.
- Beispiel 3: Dritter Verstoß. 100 Prozent = 0 Euro Regelbedarf. Unterkunft kann im Folgemonat ebenfalls entfallen.
Die tatsächlichen Beträge hängen von Ihrer Konstellation ab, etwa Haushaltsgröße, Mehrbedarfen und kommunalen Richtwerten. Fragen Sie bei Unklarheiten nach einer schriftlichen Berechnung.
Was die Änderung für Arbeitssuchende bedeutet
Fördern und Fordern rücken enger zusammen. Qualifizierungen, Aktivierungsmaßnahmen und schnelle Vermittlung gewinnen an Gewicht. Wer kooperiert und Bewerbungen nachweist, behält Anspruch und kann Zusatzangebote nutzen. Wer wiederholt nicht mitwirkt, verliert Geld – deutlich schneller als bisher. Das erhöht Druck, kann aber auch zügige Integrationen ermöglichen, wenn passende Angebote bereitstehen.
Für Jobcenter steigt der Aufwand kurzfristig: mehr Prüfungen, mehr Kommunikation, mehr Sanktionsverfahren. Mittelfristig plant die Politik Effekte am Arbeitsmarkt. Ob das gelingt, hängt von regionalen Stellenangeboten, Beratungskapazitäten und der Qualität der Maßnahmen ab.
Nützliche Hinweise für den Übergang
Bewahren Sie jede schriftliche Einladung auf und bestätigen Sie Termine, falls Sie verhindert sind. Fragen Sie nach telefonischen oder digitalen Alternativen, wenn ein persönliches Erscheinen nicht möglich ist. Lassen Sie sich Gesprächsnotizen geben. Bestehen Sie auf einer klaren Rechtsfolgenbelehrung bei jeder Zuweisung.
Wer gesundheitliche Einschränkungen hat, sollte früh medizinische Unterlagen bereitstellen. Prüfen Sie, ob die Erwerbsfähigkeit vorliegt oder eine Reha angezeigt ist. In gemischten Bedarfsgemeinschaften lohnt der Blick auf Freibeträge aus Erwerbseinkommen. Teilzeitjobs können den Anspruch mindern, aber die finanzielle Lage stabilisieren. Ein Nebenjob kann sinnvoll sein, wenn die Freibeträge greifen.



Strengere Sanktionen bis zur vollständigen Streichung – wie soll man davon Miete und Heizung zahlen, wenn nur ein Termin verpasst wurde? Härtefälle hin oder her, das lädt zu Fehlentscheidungen ein. Gibt es unabhängige Beratungsstellen, die beim Widerspruch helfen und Fristen im Blick behalten?
Neuer Name, altes Prinzip: Rebranding statt Reform. Wenn es wirklich um Integration geht, warum investiert man nicht mehr in qualifizierte Beratung und echte Weiterbildungen, statt in Kontrolle und Datenabgleich?