Auf der Wiesn entscheidet ein Handzeichen über Tempo, Stimmung und Lohn – und am langen Tisch redet kaum jemand ehrlich.
Im Hofbräu-Zelt serviert Marlene Graßl seit einem Jahrzehnt Maßkrüge, Hendl und Brezn. Im Gespräch aus dem stern-Archiv stellt sie sich den heiklen Fragen: Wie läuft das Geschäft wirklich, wer gibt gut – und wovon hängt das Trinkgeld ab? Wir ordnen die wichtigsten Punkte ein, zeigen, was als fair gilt und wie ihr in der Hektik der Festzelte den Überblick behaltet.
Worum es auf der wiesn beim trinkgeld wirklich geht
Die Bedienungen verdienen nicht nur mit dem Grundlohn. Viele bauen ihren Verdienst maßgeblich über Trinkgeld auf. Ein voller Gang mit zehn Krügen wiegt weit über 20 Kilo. Jede Runde erfordert Organisation, Kraft und schnelle Abrechnung. Wer in Spitzenzeiten zügig bedient, hält ganze Tische am Laufen. Genau dort entscheidet sich, ob am Ende des Abends ein guter oder ein magerer Lohn steht.
Trinkgeld ist auf der Wiesn kein Bonus am Rand. Es ist ein zentraler Teil des Einkommens der Bedienungen.
Graßl kennt die Stoßzeiten, die Stammgäste und die Tücken der großen Zelte. Sie arbeitet seit zehn Jahren im Hofbräu-Zelt – eine Erfahrungsspanne, die zeigt: Service auf der Wiesn ist Hochleistungssport mit Kassengurt.
Wie viel ist üblich: faustregeln, die euch durch den abend bringen
Die Preislage im Zelt variiert je nach Betreiber und Angebot. Der Maßpreis liegt seit Jahren deutlich im zweistelligen Bereich. Daraus ergeben sich erprobte Orientierungspunkte für Gäste:
- Pro Maß: 1 bis 2 Euro Trinkgeld gelten als gängig; 2 Euro wirken im vollen Zelt angemessen.
- Bei großen Runden: 10 bis 15 Prozent des Gesamtbetrags sind ein klares Signal für guten Service.
- Bei Essen: aufrunden auf den nächsten glatten Betrag oder 5 bis 10 Prozent geben.
- Kleine Nachbestellungen: lieber sammeln und dann mit 1–2 Euro tippen statt jede Kleinigkeit einzeln zu zahlen.
- Kein Kleingeldsalat: Scheine beschleunigen den Ablauf, das hilft allen am Tisch.
Wer 2 Euro pro Maß gibt, sendet Dankbarkeit und sichert sich Aufmerksamkeit, wenn es später richtig hektisch wird.
Gruppen zahlen anders als paare
Große Gruppen haben oft einen Tisch und eine Person sammelt. Das erleichtert die Abrechnung. Kellnerinnen reagieren auf Übersicht: Wer zusammenlegt, zügig bestellt und klar trinkt, bekommt schneller die zweite Runde. Paare oder kleine Gruppen zahlen häufiger einzeln. Das kostet Zeit – und Zeit ist im Zelt bares Geld.
Bar oder karte: was im zelt wirklich funktioniert
Bargeld bleibt im Zelt der Standard. Manche Betreiber bieten Kartenzahlung, doch nicht überall klappt sie stabil. Wer einen schnellen Ablauf will, bringt genug Scheine mit. Für Kartenzahler lohnt sich ein fester Trinkgeldbetrag, nicht nur Prozente. So bleibt die Bedienung nicht in Menüs hängen.
Reservierungen, mindestverzehr und das trinkgeld-dilemma
In reservierten Bereichen gibt es oft Mindestverzehr oder Verzehrmarken. Das kann den Eindruck erwecken, das Trinkgeld stecke schon drin. Das stimmt selten. Bedienungen rechnen Marken ab, doch das Trinkgeld gebt ihr separat. Eine Faustregel: trotz Marken 10 Prozent auf den theoretischen Wert ansetzen oder pauschal pro Person 3 bis 5 Euro für einen gesamten Sitzblock kalkulieren.
Blick in den alltag: eine bedienung im hofbräu-zelt
Marlene Graßl, seit zehn Jahren auf der Wiesn, kennt jeden Quadratzentimeter zwischen Bänken und Mittelgang. Sie trägt oft acht bis zehn Maß auf einmal. Ein gefüllter Krug wiegt rund 2,3 Kilo. Nach wenigen Runden summiert sich das auf Dutzende Kilo. Nebenbei behält sie Bestellungen im Kopf, notiert Essen, kassiert schnell und freundlich – und wechselt innerhalb von Sekunden zwischen Deutsch und Englisch.
Der Tagesablauf hängt stark vom Slot ab. Mittags dominieren Familien und Touristinnen, abends steigt die Lautstärke, die Bestellfrequenz und die Erwartungshaltung. Wer jetzt höflich bleibt, klar kommuniziert und rechtzeitig trinkt, erleichtert den Job. Das spiegelt sich im Trinkgeld.
Wer gibt gut – und warum
Das Bild, dass nur große Gruppen aus bestimmten Ländern großzügig zahlen, greift zu kurz. Entscheidend sind Planbarkeit und Respekt. Ein Tisch, der gesammelt ordert, freundlich bleibt und Aufträge bündelt, generiert mehr Umsatz – und zahlt meist fair. Spontane Einzelzahler mit Kleingeldchaos produzieren Wartezeiten. Das schlägt sich eher in kleineren Trinkgeldbeträgen nieder.
Stammgäste bringen oft feste Tipps: pro Runde dieselbe Summe, schnell und ohne Diskussion. Touristinnen und Touristen fragen häufiger nach, was „richtig“ ist. Hier hilft eine klare Ansage am Tisch: „Wir runden immer auf volle Beträge auf, Trinkgeld geben wir separat.“
Konkrete rechenbeispiele für euren tisch
| Szenario | Bestellung | Trinkgeld-Orientierung | Hinweis |
|---|---|---|---|
| Kleine Runde | 2 Maß | 2–4 Euro | Mit Schein zahlen, nicht mit Kleingeldkette. |
| Mittelgroße Gruppe | 8 Maß + 2 Speisen | 10–15 Prozent des Gesamtbetrags | Eine Person kassiert ein, zahlt gesammelt. |
| Langer Abend | 20 Maß über mehrere Runden | 2 Euro pro Maß | Konstante Pauschale je Runde spart Zeit. |
| Reservierter Tisch | Verzehrmarken im Wert von x | zusätzlich 10 Prozent oder 3–5 Euro pro Person | Marken ersetzen das Trinkgeld nicht. |
Was vom trinkgeld bleibt
Nicht jede Münze landet eins zu eins im eigenen Portemonnaie. Teams teilen Anteile mit Läuferinnen, Thekenkräften oder Küchenpass. Manche Zelte organisieren Pools, andere lassen individuelle Kassen zu. Außerdem fallen Kosten an: Anfahrt, Verpflegung, Ausrüstung, teilweise Abgaben. Für das Publikum heißt das: Ein scheinbar hoher Abendumsatz relativiert sich nach Abgaben und geteilten Schichten.
Warum geregelte gesten helfen
Bedienungen arbeiten in Schichten mit engem Takt. Klare Signale sparen Sekunden: hochgehaltene Bierdeckel für Nachbestellung, früher Hinweis auf Essen, Zahlungswunsch rechtzeitig vor Sperrstunde. Wer Bedienungen nicht festhält, sondern zielgerichtet anspricht, erhöht die Chance auf flotte Bedienung – und bedankt sich am Ende passend.
Praktische tipps für euch am tisch
- Geld bündeln: Eine Person sammelt, zahlt, tippt – das beschleunigt alles.
- Runden planen: Lieber seltener, dafür mehr bestellen. Das sichert Aufmerksamkeit.
- Pauschale festlegen: Zum Beispiel 2 Euro pro Maß als klare Linie für den ganzen Abend.
- Freundlichkeit wirkt: Ein kurzer Dank, direkter Blickkontakt, klare Worte. Das macht einen Unterschied.
- Karte als Ausnahme: Wenn möglich bar zahlen, Trinkgeld separat übergeben.
Einordnung: was berichte von der wiesn zeigen
Gespräche wie das mit Marlene Graßl aus dem stern-Archiv geben seltene Einblicke. Zehn Jahre Erfahrung im Hofbräu-Zelt bedeuten Routine in Spitzenzeiten, ein Gefühl für faire Gäste und einen nüchternen Blick auf das, was am Ende des Tages übrig bleibt. Solche Stimmen machen deutlich, dass Trinkgeld Anerkennung, Arbeitsbedingung und Motivation zugleich ist.
Zusatzwissen für euren nächsten besuch
Ein kurzer Realitätscheck hilft bei der eigenen Einschätzung. Nehmen wir eine hypothetische Abendschicht mit 100 ausgeschenkten Maß an einem gut laufenden Tischsegment. Bei 2 Euro pro Maß ergäbe das 200 Euro Trinkgeld brutto aus dieser Menge Bier – ohne Essen, ohne Aufteilung im Team und ohne Pausen. Je nach Zelt, Teamstruktur und Abzügen schrumpft das am Ende. Genau deshalb zählt jede faire Geste.
Wer unsicher ist, kann vorab eine kleine Simulation machen: Plant euren Abend mit einer erwarteten Zahl von Maß pro Person und einem festen Trinkgeldbetrag pro Runde. Beispiel: drei Maß pro Person, 2 Euro Trinkgeld je Maß, dazu 2 Euro pro Speise. So bleibt der Abend planbar, die Bedienung kann schneller arbeiten und ihr wisst, was finanziell auf euch zukommt.



2€ par Maß, et un sourire inclus ? 😉
Question pratique: en fin de soirée, le pourboire est-il partagé avec les runners et le bar, ou chacun garde sa caisse? Et si on paie par carte, le tip n’est-il pas souvent bloqué ?