Regale bleiben voll, doch hinter den Kulissen laufen harte Gespräche. Viele fragen sich, was in den nächsten Monaten passiert.
Die hessische Supermarkt-Kette Tegut ordnet ihr Netz um. Branchenberichte sprechen von deutlich mehr Bewegungen als bisher bekannt. Betroffen sind nach aktuellem Stand auch Standorte in der Rhein-Main-Region, nicht nur im Süden.
Was hinter der Entscheidung steckt
Tegut gehört seit 2013 zur Migros Zürich. Die Mutter drängt nach Jahren mit Verlusten auf eine Wende. Bereits Ende 2024 wurden ambitionierte Ziele formuliert: 2025 spürbar besser werden, bis Ende 2026 profitabel arbeiten. Erste Märkte haben bereits geschlossen oder den Betreiber gewechselt.
Nun verdichten sich die Hinweise: Laut Lebensmittel Zeitung werden rund 50 der etwa 300 Tegut-Standorte zur Übernahme angeboten. Der Kreis umfasst Filialen in unterschiedlichen Lagen und Größen. Für Migros zählt, künftige Investitionen zu fokussieren und Doppelstrukturen zu vermeiden.
Rund 50 von etwa 300 Filialen gelten als Kandidaten für einen Betreiberwechsel – eine Quote von etwa 17 Prozent.
Offiziell bleiben Details knapp. Klar ist: Das Filialportfolio wird auf Profitabilität, Mietkonditionen, Frequenz und Wettbewerb geprüft. Filialen mit dauerhaft negativen Deckungsbeiträgen oder ungünstigen Verträgen rücken in den Fokus.
Diese standorte stehen im fokus
Im Gespräch sind Märkte in Regionen mit starker Konkurrenz, hohen Mieten oder veränderten Pendlerströmen. Das betrifft Großstadtlagen genauso wie Randlagen mit zu wenig Kundschaft. Auch in Kerngebieten kann es Überschneidungen mit eigenen Märkten geben, die sich kannibalisieren.
Nicht jede Fläche passt zur Strategie. Kleinere Nachbarschaftsläden mit begrenzter Parkfläche und große, energieintensive Altbauten belasten die Kostenbasis unterschiedlich stark. Für beide Kategorien steigt der Anpassungsdruck.
Was bedeutet das für beschäftigte und kunden
Bei Betreiberwechseln greifen in Deutschland klare Regeln. Häufig erfolgt eine Betriebsübernahme gemäß § 613a BGB. Arbeitsverhältnisse gehen auf den neuen Betreiber über. Ein Interessenausgleich und mögliche Sozialpläne werden mit Betriebsräten verhandelt. Entscheidend sind am Ende die konkreten Verträge.
- Beschäftigte: Arbeitsplatz kann erhalten bleiben, Aufgaben und Schichten können sich ändern. Pendelwege können sich verschieben.
- Kunden: Märkte bleiben während des Übergangs oft geöffnet. Sortiment, Preise und Öffnungszeiten ändern sich nach Rebranding.
- Lieferanten: Zahlungs- und Lieferkonditionen werden neu verhandelt. Regionale Produkte können neu gelistet oder ersetzt werden.
- Gutscheine und Punkte: Fristen prüfen. Gutschriften gelten in der Regel nur beim ausstellenden Unternehmen.
| Thema | Mögliche auswirkung | Zeithorizont |
|---|---|---|
| Beschäftigung | Übernahme durch Käufer, neue Verträge oder Wechseloptionen | Wochen bis wenige Monate |
| Kundenerlebnis | Sortimentswechsel, neue Preispolitik, Umbauten | Schrittweise nach Dealabschluss |
| Marktöffnung | Kurzzeitige Schließung für Umbau möglich | 2–6 Wochen je nach Umfang |
| Regionale Lieferanten | Neuaufnahmen oder Auslistungen | Nach Listungsrunden |
Wer als käufer infrage kommt
Der deutsche Lebensmittelhandel ist stark konzentriert. Realistische Interessenten sind Verbundgruppen und großflächige Betreiber mit Erfahrung in der Integration: häufig Edeka (teils über selbstständige Kaufleute), Rewe, Kaufland oder regionale Player. Auch lokale Nahversorger können einzelne Lagen übernehmen. Discounter prüfen große Flächen nur selektiv, bevorzugen aber standardisierte Neubauten.
Bei jedem Paket spielt das Bundeskartellamt eine Rolle. Entscheidend ist die lokale Marktabdeckung. In Regionen, in denen ein Anbieter bereits dominiert, sind Übernahmen schwieriger. Häufig werden Standorte auf mehrere Käufer verteilt, um Wettbewerb zu sichern.
Zahlen, die die lage erklären
Rund 50 abgegebene Standorte entsprechen etwa 17 Prozent des Netzes. Das reduziert Fixkosten, spart Investitionen in Altbauten und bündelt Marketing. Der Markt bleibt zugleich extrem preissensibel. Discounter erzielen laut Branchenschätzungen fast die Hälfte der Umsätze im deutschen Lebensmittelhandel. Verbraucher greifen häufiger zu Eigenmarken. Der Warenkorb bleibt kleiner, Aktionen bestimmen die Nachfrage. Energie, Personal und Logistik sind teurer als 2019, auch wenn sich einzelne Kostenblöcke zuletzt entspannten.
Ohne spürbare Effizienzgewinne und eine fokussierte Expansion mit passenden Flächen wird es für Vollsortimenter in vielen Lagen eng.
Tegut setzt seit Jahren auf Frische, Bio-Anteil und regionale Sortimente. Das bindet loyale Kundschaft, kostet aber Fläche, Personal und Prozessqualität. Ein straffer Flächenmix kann diese Position schärfen und Mittel freimachen.
Zeitplan und nächste schritte
Der übliche Ablauf: Teaser an Interessenten, Datenraum, indikative Angebote, Managementgespräche, verbindliche Offerten, Genehmigungen, Closing. Parallel laufen Mietvertragsverhandlungen mit Vermietern. Für einzelne Märkte erfolgt der Übergang als Asset Deal, für Cluster als Paket.
Aus Kundensicht ist mit mehreren Wellen zu rechnen. Erst wechselt die Außenkommunikation am Markt, dann folgen Umbau und Rebranding. Wo kein Käufer gefunden wird, droht eine Schließung. Kommunen versuchen, solche Lücken gemeinsam mit Vermietern zu verhindern, etwa durch veränderte Flächenzuschnitte oder durch Parkraumlösungen.
So reagieren sie als kundin oder kunde
- Öffnungszeiten prüfen: Aushänge am Eingang und Hinweise an der Kasse beachten.
- Guthaben zeitnah nutzen: Gutscheine und Sammelpunkte nicht liegen lassen.
- Preisvergleich starten: Übergangsphasen bringen neue Eigenmarken und Aktionen.
- Serviceleistungen klären: Lieferservice, Abholstationen und Pfandrückgabe können sich ändern.
- Alternativen kennen: Im Fall einer Schließung die nächstgelegenen Märkte identifizieren.
Was das für städte und ländliche räume bedeutet
In Innenstädten droht seltener eine Versorgungslücke, dafür belasten Leerstände die Erdgeschosslagen. Vermieter sollten Flächen schneller teilbar machen und Nebenkosten transparent halten. In Dörfern und Randlagen ist das Risiko größer, dass ein Markt dauerhaft verschwindet. Kommunale Konzepte wie multifunktionale Nachbarschaftsläden, kleinere Vollsortimenter mit effizienter Technik oder geteilte Logistik-Hubs können helfen, Reichweiten zu sichern.
Für regionale Produzenten entsteht Chance und Risiko zugleich. Neue Betreiber öffnen Türen zu größeren Netzen, stellen aber höhere Anforderungen an Lieferfähigkeit, EDI-Anbindung und Preiskonditionen. Wer seine Prozesse digital sauber aufstellt, verbessert die Verhandlungsposition.
Praktische beispielrechnung und tipps für haushalte
Ein durchschnittlicher Supermarkt versorgt im Nahbereich oft 8.000 bis 12.000 Menschen. Wechseln 50 Märkte den Betreiber, können rechnerisch 400.000 bis 600.000 Personen zeitweise von Veränderungen betroffen sein. Das bedeutet nicht automatisch längere Wege. Häufig bleibt der Standort erhalten, nur das Schild am Eingang wechselt.
Haushalte können sparen, wenn sie die Umstellungsphase strukturiert nutzen. Wer Preise über vier Wochen beobachtet, erkennt neue Dauerniedrigpreise und befristete Aktionen. Markenprodukte bleiben oft teurer, Eigenmarken gleichen Qualitäten aus. Wer frische Kategorien flexibel plant, reduziert Verschwendung und profitiert von kurzfristigen Abschriften während Umbauten.
Worauf investoren jetzt schauen
Entscheidend sind Energiekosten pro Quadratmeter, flexible Kühltechnik, Personalproduktivität je Stunde und Park- bzw. ÖPNV-Anbindung. Märkte mit stabilen Frequenzen und moderner Technik bleiben gefragt. Ältere Flächen werden attraktiv, wenn Mieten angepasst werden und Umbaukosten im Deal abgebildet sind. Für Betreiber zahlt sich ein klarer Sortimentskern aus: weniger Tiefe, mehr Drehung, klar positionierte Frische, schlanke Prozesse an der Kasse und in der Kommissionierung.
Bleibt Tegut auf Kurs und erreicht das Profitabilitätsziel bis Ende 2026, stärkt das die Position innerhalb der Migros-Gruppe. Gelingt die Trennung von schwachen Standorten zügig, steigt die Chance, Mittel in zukunftsfähige Lagen, moderne Technik und digitale Services zu lenken. Für Kundinnen und Kunden kann das langfristig ein besseres Angebot bedeuten – lokal unterschiedlich, aber häufig mit klarerem Profil.



Heißt das jetzt konkret, dass in Rhein-Main die Preise steigen? Oder bleibt’s bei einem Betreiberwechsel, während Sortiment und Öffnungszeiten später angepasst werden? Ich hab Sorge, dass gerade kleinere Nachbarschaftsläden draufzahlen. Jemand Erfahrungen aus den ersten umgestellten Märkten?
Wenn nur das Schild wechselt und die Brötchen gleich schmecken, ist mir egal – hauptsache die Pfandmaschine lebt weiter 😉