Die Steuerpläne aus Berlin sorgen für Unruhe. Viele Familien fragen sich, was ihre Haushaltskasse im nächsten Jahr erwartet.
Die Debatte um das Ehegatten-Splitting nimmt Fahrt auf. Die SPD stellt das Modell infrage und spricht von einem überholten Rollenbild. Kritiker warnen vor massiven Mehrbelastungen, die vor allem Einverdiener treffen könnten. Im Raum steht eine Zahl, die viele aufhorchen lässt: bis zu 20.000 Euro zusätzlich pro Jahr.
Was hinter dem ehegatten-splitting steckt
Das Ehegatten-Splitting ist ein Kernstück des deutschen Einkommensteuerrechts. Verheiratete und eingetragene Lebenspartner werden gemeinsam veranlagt. Das Finanzamt halbiert das gemeinsame zu versteuernde Einkommen, berechnet die Steuer für die Hälfte und verdoppelt das Ergebnis. So glättet das Verfahren die Progression.
Das Prinzip begünstigt Paare mit ungleichen Einkommen. Der vielverdienende Partner profitiert von einem niedrigeren Durchschnittssteuersatz, weil das geringe Einkommen des anderen mit einfließt. Verdienen beide ähnlich, fällt der Vorteil kleiner aus.
Das splitting senkt die Steuerlast vor allem dann spürbar, wenn ein Partner viel und der andere wenig oder gar nichts verdient.
So funktioniert die steuerliche Aufteilung
Beispiel: Person A verdient 120.000 Euro brutto, Person B 0 Euro. Beim Splitting wird auf 60.000 Euro gerechnet und anschließend verdoppelt. Ohne Splitting läge die Rechnung auf 120.000 Euro. Die Differenz entsteht allein durch die Progression.
Bei Paaren mit 60.000 und 40.000 Euro Jahresbrutto schrumpft der Vorteil deutlich, weil die Einkommen näher beieinander liegen. Bei 50.000 zu 50.000 Euro ist der Effekt minimal.
Was die spd plant und wer betroffen wäre
Die SPD will die gemeinsame Veranlagung ablösen. Im Gespräch ist eine Individualbesteuerung mit begrenzter Übertragbarkeit von Freibeträgen. Ziel: Erwerbsanreize für Zweitverdiener stärken und staatliche Förderung stärker an Kinder binden statt an Trauschein und Rollenmodell.
- Einverdiener-Ehen mit hohem Einkommen: klarer Verlierer, spürbar höhere Steuerlast.
- Paare mit ähnlich hohen Einkommen: geringe oder keine Mehrbelastung.
- Familien mit mehreren Kindern: könnten durch kindbezogene Entlastungen teilweise kompensiert werden.
- Unverheiratete Paare: keine Veränderung durch die Reform, aber mögliche neue Kinder-Förderlogik.
Schätzungen sprechen von teils fünfstelligen Mehrbelastungen pro Jahr für Spitzenverdiener-Einverdiener. Bei mittleren Einkommen liegen die Effekte meist im niedrigen vierstelligen Bereich.
Die umstrittene zahl: bis zu 20.000 euro mehr
Die Zahl wirkt drastisch. Sie ergibt sich in Szenarien mit sehr hohem Einkommen eines Partners und ohne ausgleichende Entlastungen. Solche Fälle sind selten, aber möglich. Für die Mehrheit der Paare liegen die Effekte deutlich darunter. Entscheidend sind Einkommenshöhe, -verteilung und künftige Ausgleichsmechanismen.
Finanzpolitisch geht es um Milliarden. Je nach Ausgestaltung veranschlagen Institute zusätzliche Staatseinnahmen im zweistelligen Milliardenbereich. Damit ließen sich Haushaltslöcher stopfen oder Familienleistungen umbauen.
Beispielrechnungen im überblick
Vereinfachte, überschlägige Darstellung, ohne Kirchensteuer und Sonderfälle. Die Spannbreite zeigt, wie stark Annahmen wirken.
| Haushalt | jahresbrutto a | jahresbrutto b | heute (splitting) | ohne splitting | differenz |
|---|---|---|---|---|---|
| einverdiener | 120.000 € | 0 € | niedriger | höher | ca. 6.000–12.000 € |
| ungleiche verdienste | 90.000 € | 30.000 € | niedriger | höher | ca. 3.000–7.000 € |
| ähnliche verdienste | 60.000 € | 55.000 € | ähnlich | ähnlich | bis ca. 1.000 € |
| spitzenverdienst einseitig | 250.000 € | 0 € | klar niedriger | deutlich höher | bis zu ca. 20.000 € |
Recht, politik, realität: drei achsen der debatte
Juristisch gilt: Das Splitting beruht auf Entscheidungen aus den späten 1950er Jahren. Ehepaare dürfen steuerlich nicht benachteiligt werden. Ob eine Abschaffung oder Begrenzung verfassungskonform ist, hängt von der Ausgestaltung ab. Übergangsregelungen und Bestandsschutz könnten eine Rolle spielen.
Politisch prallen Modelle aufeinander. SPD und Grüne favorisieren Individualbesteuerung mit Kinderfokus. FDP und Union warnen vor einer Steuererhöhung durch die Hintertür. Ohne Kompromiss ist im Bundestag wenig zu machen. Die Haushaltslage erhöht den Druck, schnell zu entscheiden.
In der Lebenswirklichkeit verändert die Reform Arbeitsanreize. Das heutige System dämpft häufig den Schritt zurück in den Job oder den Ausbau der Stunden beim Zweitverdiener, meist Frauen. Geringere Splittingvorteile würden Zusatzstunden finanziell attraktiver machen. Gleichzeitig fehlt vielen Familien verlässliche Betreuung, was den Effekt begrenzen könnte.
Steuern formen verhalten: weniger splitting-Vorteil kann den zweitverdienst stärken – vorausgesetzt, es gibt genug kinderbetreuung.
was paare jetzt tun können
Planen Sie Szenarien für 2026 und später, falls die Reform greift. Prüfen Sie alternative Steuerklassen und das Faktorverfahren bei der Lohnsteuer, um Unter- oder Überzahlungen zu vermeiden. Achten Sie auf mögliche Übergangsfristen, die eine schrittweise Anpassung erlauben.
- jobrechner: Was bringt eine Stundenaufstockung des Zweitverdieners abzüglich Betreuungskosten?
- vorsorge: Welche Absetzmöglichkeiten (Rentenbeiträge, Riester, Rürup, Spenden) reduzieren die Bemessungsgrundlage?
- familienleistungen: Wie wirken kinderbezogene Entlastungen (Kinderfreibeträge, Kindergeld-Logik) in künftigen Modellen?
- verträge: Bei Immobilienfinanzierungen ausreichend Puffer für mögliche Steuermehrzahlungen einplanen.
So schätzen Sie Ihren risiko-korridor selbst
Eine grobe Faustformel hilft beim Einordnen:
- Schritt 1: Jahresbrutto beider Partner addieren und halbieren.
- Schritt 2: Steuer für die Hälfte schätzen und verdoppeln (heutige Logik).
- Schritt 3: Steuer für beide Einkommen einzeln schätzen und addieren (ohne Splitting).
- Schritt 4: Differenz ergibt den Splittingvorteil. Das ist der Betrag, der perspektivisch wegfallen könnte.
Je größer der Abstand der Einkommen, desto größer meist der Vorteil. Ab etwa gleicher Einkommenshöhe sinkt der Effekt auf einen niedrigen dreistelligen bis kleinen vierstelligen Betrag.
Offene fragen, die über geld hinausgehen
Wie sieht der Ausgleich für Familien mit kleinen Kindern aus? Wird ein neuer, kindzentrierter Ansatz verlässlich finanziert? Kommt Bestandsschutz für bereits verheiratete Paare, um harte Brüche zu vermeiden? Und wie verzahnt die Politik Steuerrecht, Elterngeld und Kita-Ausbau, damit finanzielle Anreize wirklich im Alltag ankommen?
Für die einen ist die Reform ein Schritt zu mehr Erwerbsgerechtigkeit. Für die anderen eine abrupte Belastung der klassischen Familienmodelle. Wer jetzt rechnet, baut vor. Wer abwartet, bleibt abhängig von politischen Kompromissen – und vom Kalender der Haushaltsverhandlungen.



Ist die „bis zu 20.000 €“-Zahl nicht reine Panikmache? Wie oft kommt das real vor?