Ost-schatz für 26,40 mark, 60 watt: warum sie mein ddr-heizkissen nicht mal für 2 euro wollen?

Ost-schatz für 26,40 mark, 60 watt: warum sie mein ddr-heizkissen nicht mal für 2 euro wollen?

Ein kleines Stück Stoff, ein Kabel, eine Zahl auf dem Karton – mehr brauchte es einst, um Hoffnung zu spenden.

Heute liegt das gleiche Teil auf dem Dorfflohmarkt, unbeachtet. Zwischen Nostalgie, Sicherheit und Strompreisen steckt eine Geschichte, die weit über ein Heizkissen hinausreicht.

Ein heizkissen als luxus aus der planwirtschaft

In vielen ostdeutschen Haushalten stand ein beheizbares Kissen für den Notfall bereit: Winters, bei Bauchweh, wenn die Heizung gluckerte. Auf der Schachtel prangten nüchterne Angaben, die nach Verlässlichkeit klangen: VEB Elektrowärmegeräte Bernburg/Saale, Typ Nord, 60 watt, EVP 26,40 mark. Es war kein Wegwerfprodukt. Es hielt, wenn man es pflegte. Und man pflegte, weil Geld, Ersatzteile und Bezugsquellen knapp waren.

Der Aufdruck gab klare Regeln vor: nicht falten, nicht rollen, keine Nadeln. Das passte zur Haltung jener Jahre: Dinge sorgsam behandeln, damit sie bleiben. Das Kissen stand auch für ein Gefühl – sich selbst helfen, mit einfachen Mitteln, ohne Service-Hotline, ohne App.

In vielen Familien entsprach der Kaufpreis grob 2 bis 3 Prozent des Monatslohns – spürbar, aber erreichbar.

Heute wirkt diese Summe klein. Damals markierte sie eine bewusste Entscheidung: weniger Konsum, mehr Nutzung. Genau das macht den nostalgischen Reiz aus – und erklärt zugleich die Ernüchterung am Trödeltisch.

Warum keiner zugreift: preis, gefahr, geschmack

Auf dem Flohmarkt wandert der Blick schnell weiter. Gründe gibt es mehrere. Erstens Sicherheit: Ein Jahrzehnte altes Elektrotextil hat spröde Kabel, fehlenden Überhitzungsschutz, keine Abschaltautomatik. Zweitens Hygiene: Textilien mit Wärme und Zeit nehmen Gerüche an, die Käufer abschrecken. Drittens Geschmack: Minimalismus und skandinavischer Look verdrängen braun-beige Kunstfaser, auch wenn die Technik funktioniert.

Alte elektrogeräte ohne heutige Schutzfunktionen landen im Zweifel eher in der E-schrottbox als im Warenkorb.

Dazu kommt Psychologie: Wärme am Körper gilt als intim. Ein gebrauchtes Heizkissen fühlt sich persönlicher an als eine alte Lampe. Die Hemmschwelle steigt, der Preis fällt.

Die nüchternen zahlen: was 60 watt bedeuten

Das Kostenargument sticht nur bedingt. Rechnen wir: 60 watt ziehen in zwei Stunden 0,12 kWh. Bei 35 cent pro kWh kostet das etwa 4,2 cent. Selbst bei 10 Abenden im Monat sind das rund 42 cent. Verglichen mit einem 1.000-watt-heizlüfter, der pro Stunde 35 cent verschlingt, ist punktuelle Wärme erstaunlich günstig.

Gerät Leistung/Verbrauch 2 stunden kosten Risiko Bemerkung
Heizkissen (alt, 60 watt) 0,12 kWh ≈ 0,04 € Kabelalterung, kein abschaltschutz sehr günstig, sicherheitscheck ratsam
Wärmflasche Wasserkocher 2.000 watt, 3 min ≈ 0,1 kWh ≈ 0,035 € Verbrühungsgefahr bei Undichtigkeiten ohne strom am körper, einfach
Kirschkernkissen im ofen Backofen 1.500 watt, 10 min ≈ 0,25 kWh ≈ 0,09 € Brandgefahr bei überhitzung angenehme, trockene wärme
Heizlüfter 1.000 watt, 1 stunde ≈ 1 kWh ≈ 0,35 € hohe stromlast, kipprisiko raum statt person wird warm

Die laufenden kosten sind selten das problem – Vertrauen, Zustand und Normen entscheiden über den Kauf.

Was tun mit ost-erbstücken?

Wegwerfen muss nicht sein. Wer dem Stück eine Zukunft geben will, hat Optionen – auch jenseits des Flohmarkts.

  • Funktion prüfen lassen: Ein elektriker kann Stecker, Leitung, Isolation und Temperaturregler messen.
  • Nur dekorativ nutzen: Karton, Bedienzettel und Typenschild erzählen Geschichte im Regal – ohne Netzspannung.
  • Sammler ansprechen: Online-börsen mit ostalgie-fokus reagieren sensibler auf Originalverpackung, Seriennummer und Zustand.
  • Museum oder Heimatstube: Institutionen suchen oft typische Alltagsdinge mit Herkunftsnotiz.
  • Upcycling: Textilbezug waschen, neu befüllen (z. B. mit Kirschkernen) – das Elektrische bleibt draußen.

Wert oder wertlos: wie sie realistisch kalkulieren

Antik ist nicht gleich teuer. Masseartikel der DDR erzielen häufig 1 bis 5 euro. Mit Originalkarton, Datenblatt und einwandfreiem Zustand steigen Angebote auf 10 bis 25 euro. Besondere Farben, frühe Serien oder unbenutzte Ware können 30 bis 60 euro erreichen. Mehr bezahlen Käufer erst bei Kultgeräten mit großem Namen: RFT-radios, Robotron-rechner, RG28-handmixer – je nach Zustand weit höher.

Transparenz hilft beim Preis: Fotos vom Typenschild, Kabeldetail, Stecker, Innenpolster; ehrliche Worte zum Geruch; kurze Nutzungsgeschichte. Wer verspricht, alles sei „wie neu“, verliert Glaubwürdigkeit. Wer klar benennt, was noch funktioniert und was nicht, findet die richtigen Interessenten.

Der blick auf heute: was wir aus einem heizkissen lernen

Ein altes Heizkissen erzählt von Knappheit und Improvisation. Es erinnert auch daran, wie gezielte Wärme Kosten senken kann. Wer friert, greift instinktiv zum Thermostat. Oft reicht aber Wärme am Körper. Das schont den Geldbeutel und senkt Emissionen.

Eine kleine Rechnung: 2 stunden Heizkissen verursachen bei 0,12 kWh rund 40 bis 50 gramm CO₂ (je nach strommix). Eine Stunde Raumheizung mit 1 kWh liegt eher bei 300 bis 400 gramm. Wer zwei Abende pro Woche umstellt, spart übers Jahr spürbar Geld und CO₂ – ganz ohne Komfortverlust auf dem Sofa.

Sicherheit zuerst: so minimieren sie das risiko

Alte Elektrotextilien lassen sich nicht wie neu machen, aber Risiken lassen sich reduzieren. Ziehen sie klare Grenzen: wenn die Leitung hart ist, der Stecker wackelt oder der Bezug brüchig wirkt, bleibt das Gerät aus. Moderne Alternativen mit Niedervolt, Abschaltautomatik und Überhitzungsschutz kosten ab 25 bis 40 euro. Wer die Optik liebt, kann den Originalbezug behalten und ein neues, passendes Wärmeelement einlegen – nur, wenn es mechanisch passt und nicht knickt.

Emotionen dürfen bleiben, Strom nur mit aktuellen Schutzfunktionen.

Was ihr flohmarktangebot sichtbarer macht

Ein übersehener Tisch muss nicht das Ende sein. Strategisch verkaufen wirkt.

  • Beschriftung: Karte mit Jahr, Ort, Leistung, damaligem EVP – konkrete zahlen ziehen blicke.
  • Kontext: Legen sie eine kurze Anekdote dazu – wann genutzt, wofür, was es ersetzt hat.
  • Bundle: Kombinieren sie das Kissen mit einer Wärmflasche oder einem kirschkernkissen als „wärmepaket“.
  • Preisanker: Starten sie leicht höher (z. B. 8 euro) und signalisieren sie Gesprächsbereitschaft.
  • Plan B: Nach zwei märkteinsätzen online anbieten oder spenden.

Wer mit DDR-objekten handelt, verkauft selten nur Ware. Er verkauft Erinnerungen, Zeitgefühl, Geräusche von Relais und das matte Beige der Bezüge. Manchmal findet sich kein Käufer – und das ist auch eine Botschaft. Dann bleibt das Ding zu Hause und wird zum stillen Beweis, dass ein Stück Alltagsgeschichte nicht in Euro zu messen ist.

Für alle, die warm sitzen wollen, lohnt ein kurzer Selbsttest: Wie viele abende heizen sie den ganzen Raum, obwohl nur der Rücken friert? Probieren sie eine Woche lang punktwärme statt Raumniveau aus. Notieren sie Kosten und Wohlbefinden. Die Zahlen zeigen schnell, ob das Konzept für sie passt – ganz ohne Nostalgiebonus.

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