Neue Schreiben verunsichern viele Mitglieder gesetzlicher Kassen. Es geht um persönliche Finanzdaten, Pflichten und das richtige Vorgehen.
Mehr Anfragen, mehr Fragen: Warum wollen Kassen plötzlich Kontobelege sehen, wer muss reagieren und wie weit reicht der Einblick?
Rechtliche grundlage: was die kasse prüfen darf
Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung richten sich nach den beitragspflichtigen Einnahmen. Das gilt für freiwillig Versicherte, viele Selbstständige und weitere Selbstzahler. Maßgeblich sind die „Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler“. Sie verlangen eine Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und erlauben der Kasse, Belege anzufordern.
Die Kasse darf im pflichtgemäßen Ermessen Beweise wählen. Dieses Ermessen muss begründet und nachvollziehbar sein.
Juristisch stützt sich das auf § 21 SGB X. Es geht nicht um Willkür, sondern um eine saubere Ermittlung. Nachweise, die nicht von Dritten gemeldet werden, dürfen aktuell angefordert und mindestens jährlich überprüft werden.
Welche belege zählen wirklich
In vielen Fällen reicht der Einkommensteuerbescheid. Er zeigt Arbeitseinkommen und Einnahmen aus Vermietung oder Verpachtung. Für Arbeitsentgelt genügt in der Regel eine Entgeltbescheinigung. Bei Abfindungen helfen Verträge oder Sozialpläne. Bei Renten zählt der aktuelle Rentenbescheid oder eine Mitteilung über die Anpassung. Alternativ kann ein Kontoauszug die aktuelle Rentenhöhe belegen.
| Einnahmeart | Typischer Nachweis | Bankauszug nötig? |
|---|---|---|
| Gewinn aus Selbstständigkeit | Einkommensteuerbescheid | Nur bei begründetem Zweifel |
| Arbeitslohn/Dienstbezüge | Entgeltbescheinigung | Selten |
| Vermietung/Verpachtung | Einkommensteuerbescheid | Selten |
| Abfindung/Entschädigung | Vertrag, Vereinbarung, Sozialplan | Nur ergänzend |
| Rente/Versorgungsbezug | Bescheid oder Anpassungsmitteilung | Ja, als Alternative zulässig |
Wann kontoauszüge verlangt werden
Ein Steuerbescheid bildet oft einen abgeschlossenen Zeitraum ab. Fehlt er, ist veraltet oder spiegelt die aktuelle Lage nicht mehr, darf die Kasse aktuelle Kontobelege anfordern. Das betrifft zum Beispiel stark schwankende Selbstständigen-Einkommen, frisch bezogene Renten oder laufende Versorgungsbezüge.
Liegt der Steuerbescheid vor, sollte die Kasse begründen, warum dieser für die Beitragsfestsetzung nicht ausreicht.
Bei Kapitaleinkünften helfen Kontoauszüge häufig wenig, weil viele Erträge nicht direkt dort erkennbar sind. Auch deshalb bleibt der Steuerbescheid das zentrale Dokument.
Datenschutz: was Sie schwärzen dürfen
Wer Kontoauszüge einreicht, darf irrelevante Angaben schwärzen. Das folgt dem Prinzip der Datenminimierung. Nur die für die Beitragsberechnung nötigen Informationen müssen lesbar bleiben: Absender, Betrag, Datum, Verwendungszweck, soweit er die Einnahmeart erkennen lässt.
- Nicht beitragsrelevante Privatkäufe können geschwärzt werden.
- Kartennummern und IBAN Dritter müssen nicht offenliegen.
- Medizinische oder besonders sensible Hinweise gehören abgedeckt.
- Nur die Seiten mit relevanten Geldeingängen sollten vorgelegt werden.
Die Kasse muss transparent machen, welche Daten sie wofür benötigt und wie oft sie prüfen will.
So reagieren Sie auf die anfrage
Schritt für schritt handeln
- Frist prüfen und bei Bedarf schriftlich eine Verlängerung beantragen.
- Prüfen, ob ein aktueller Steuerbescheid die Fragen bereits klärt.
- Nur geforderte und relevante Belege senden; irrelevantes schwärzen.
- Bei Unklarheiten eine Begründung der Anforderung anfordern.
- Nach Abgabe um eine schriftliche Bestätigung der Datenverwendung bitten.
Wenn Unterlagen fehlen
Kein aktueller Steuerbescheid? Dann helfen vorläufige BWA, Einnahmen-Überschuss-Rechnung, Rentenmitteilungen oder zeitnahe Kontoauszüge. Die Kasse kann vorläufig festsetzen und nach Eingang des Bescheids korrigieren.
Was droht bei nichtabgabe
Reagieren Mitglieder nicht, darf die Kasse eine Schätzung vornehmen. Diese kann sich am Höchstwert bis zur Beitragsbemessungsgrenze orientieren. Das treibt den Monatsbeitrag spürbar nach oben. Später korrigierte Bescheide beseitigen Rückstände nicht immer vollständig, wenn die Mitwirkungspflichten verletzt wurden.
Beispiel: so wirken sich aktuelle zahlen aus
Eine Designerin erzielt schwankende Gewinne. Der jüngste Steuerbescheid weist 24.000 Euro Jahresgewinn aus. Die Kasse setzt Beiträge anhand dieses Werts fest. Im laufenden Jahr steigen die Aufträge deutlich. Die Kasse fragt nach aktuellen Nachweisen. Legt die Designerin nur Rechnungslisten vor, bleibt unklar, was bereits bezahlt wurde. Kontoauszüge mit geschwärzten Privatposten belegen die Zahlungseingänge. Die Beiträge werden auf dieser Basis vorläufig angepasst, später mit dem neuen Steuerbescheid abgeglichen.
Häufig betroffene gruppen
Selbstständige mit stark schwankenden Einnahmen erhalten häufiger Anfragen. Auch Personen mit mehreren Einkommensquellen, etwa Rente plus Miete, müssen öfter nachlegen. Bei Neurentnern wird die aktuelle Rentenhöhe oft über Bescheid oder Kontoauszug geprüft. Beschäftigte mit regelmäßigen Lohnnachweisen geraten seltener in den Fokus.
Ihre rechte gegenüber der kasse
Mitglieder haben Anspruch auf nachvollziehbare Entscheidungen. Dazu zählen eine klare Begründung der Dokumentenanforderung, die Benennung der Rechtsgrundlage und die Angabe der Prüffristen. Wer Zweifel hat, kann eine schriftliche Auskunft verlangen. Gegen eine aus Sicht der Mitglieder überzogene Forderung hilft der Widerspruch. Fristen beachten.
Praxistipps für mehr planungssicherheit
Wer seine Unterlagen strukturiert, spart Zeit: Einnahmen nach Art sortieren, Buchungen mit Belegnummern versehen, Rentenanpassungen sammeln. Für jede Anfrage ein schlankes Paket zusammenstellen. Kopien oder digitale PDFs sichern. So lassen sich Nachfragen zügig beantworten.
Zusatzwissen: woran sich die beitragshöhe orientiert
Die Beitragshöhe richtet sich nach dem beitragspflichtigen Einkommen bis zur jeweils geltenden Bemessungsgrenze. Für freiwillig Versicherte kommen Regel- und Zusatzbeitrag zum Tragen. Wer sehr geringe Einnahmen hat, profitiert von Mindestbemessungsgrundlagen oder besonderen Einstufungen, etwa bei Gründern unter bestimmten Voraussetzungen. Hohe Einkommen stoßen bei der Bemessungsgrenze ab. Änderungen der Einnahmen sollten zügig gemeldet werden, damit die Beiträge zeitnah angepasst werden.
Kurzcheck: welche unterlage sende ich zuerst?
- Steuerbescheid aktuell und vollständig? Senden.
- Rentenbezug neu oder angepasst? Bescheid oder Kontoauszug.
- Abfindung gezahlt? Vertrag oder Vereinbarung.
- Arbeitsentgelt? Entgeltbescheinigung.
- Nichts davon greift? Gezielte Nachfrage stellen und nur erforderliche Kontoauszüge einreichen.
Wer zielgenau belegt und unnötige Details schwärzt, schützt seine Privatsphäre und beschleunigt die Beitragsfestsetzung.



Woher kommt die Zahl „7 von 10 Selbstständigen“ – ist das belegt? Und heisst das konkret: Ohne aktuellen Steuerbescheid dürfen Kontoauszüge verlangt werden, aber nur mit Begründung? Bin mir unsicher bzgl. § 21 SGB X.